Freitag, 18. November 2016

Von Aktau nach Almaty

Geschichten einer kasachischen Zugreise
Kapitel eins
Schnüff, schnüff...hier hat doch jemand gefurzt...uhhh, ohhh.
Wahrscheinlich war es die alte grumbelige Oma in der übernächsten Reihe. Daran stören tut sich keiner, wahrscheinlich weil man das von ihr seit Anbeginn aller Zeiten gewohnt ist. So wäre auch meine Beschreibung ihres alters. Das Mütterchen mir Gegenüber ist ständig mit unvorgehaltener Hand am rülpsen. Alter ist eindeutig kein Beweis von Weisheit, noch eine Bedingung für Sonderbehandlungen durch junge Leute.
Die karge Wüstensteppe um mich herum liegt endlos bis zum Rand des Horizonts. Dunkelbraun ist der einzige Farbton, so auch das Gras, kleinere Hügel und Pferde welche gemächlich ohne Auffsicht grasen.
Gelegentlich wird die Szene von meist weißen Pkw's und Lkw's unterbrochen. Diese  wirbeln den braunen Sand mit großen staubigen Wolken auf welcher in den letzten Sonnenstrahlen eines angenehmen Tages funkelt.
Nachdem das Gepäck verstaut und die aufgebrachten Reisegemüter der Passagiere sich gelegt haben kommt natürlich eine Frage auf...wer ist der blonde Junge eigentlich der mir grinsend gegenüber sitzt. Gewohnt greife ich nach meiner Goldtafel und reiche sie einer verwirrten Frau die mit ihrer Tochter reist. Ich muss sagen, selbst die Stadthalter und Schmiede Kublai Khans hätten weder einen besseren Text noch eine prachtvollere Mappe gestalten können. 


Mit jedem laut gelesenen Wort kehrt mehr Klarheit in die Gesichter der Runde ein und die Stimmung wird zu einer angenehmen und ausgelassenen Heiterkeit.
So gebe ich noch wenige Erklärungen in meinem zweifelhaften Russisch, gemischt mit türkischen Wörtern und konzentriere mich danach ganz auf mein Buch das nach mehr Text verlangt.
Nicht lange schreibe ich denn von allen Beteiligten werde ich zum traditionellen kasachischen Fünf- Finger- Essen eingeladen. Ein Gericht aus dünnen und langen Nudeln mit Hühnchen. Als Beilage bekomme ich Brot mit Streichkäse und dem obligatorischen Shay.
Noch lange wird sich über mich unterhalten und offenbar sieht die Mutter ihrer zwanzigjährigen Tochter in mir eine gute Partie. Sie macht zweideutige Andeutungen welches von starren der jungen Frau begleitet wird während ich wieder in meinen eigenen Spähren des Tagträumers versinke.
Die Betten an Bord der Ms. Überfüllt werden von jedem selbst gemacht, so auch mein Oberbett. Das untere überließ ich dem älteren Herren welcher es überschwänglich dankend annahm. Bleibt nur noch zu hoffen das die Geschichten über die Uraltdecken begleitenden Bettwanzen nur Fantasien eines Abenteurers bleiben.
Während der Zug gemächlich auf den Schienen dahin fuhr, nahmen draußen die kalten Temperaturen mit jedem gewonnenen Kilometer zu.
Innerhalb war es wohl als Sauna zu beschreiben und die Heizung bollerte fröhlich vor sich hin. Die Frau unter mir wedelte sich regelmäßig mit einem Handtuch Luft zu und auch andere Passagiere seufzten laut wegen der drückenden Temperatur vor sich hin. Die Fenster ließen sich in keinem der Abteile bis auf die Toilette öffnen.
Da ich mir als Ausländer eine Menge herausnehmen kann entledigte ich mich meines Thermopullovers und schlief Oberkörper frei, was deutlich angenehmer war.
Die Nacht selbst war einergermaßen erholsam und so wachte ich am nächsten morgen gegen 9 Uhr almatischer Zeit auf. Ich staunte nicht schlecht als ich auf die Schneebedeckte braunweiße Landschaft schaute. Auf der Toilette öffnete ich natürlich das Fenster und hielt bei Fahrtwind den Kopf hinaus...Notiz an mich. Halte nicht den Kopf hinaus, so mein Rat denn die Minus 10 Grad und harten Schneeflocken peitschen mir geradezu entgegen und ließen mein Gesicht nach wenigen Sekunden rot und taub werden. 

Hier und da sieht man, wenn auch klieeschehaft einen braunen Grasballen über die Landschaft fliegen, mal kleiner mal Mannsgroß.
Die ersten Passagiere steigen aus, neue kommen. Ich wundere mich nur über ihre Häuser, so stehen diese massiv wie sie gebaut sind oft hunderte Kilometer auseinander. Dörfer sind tatsächlich noch im Vergleich zu unseren kleine Siedlungen mit 2-10 kleinen Wohnhäusern. Was die Einheimischen im Winter dort machen werde ich sicher später erfahren.
Zum Morgen werde ich erneut mit einer Schale Süßkartoffel und Hühnchen versorgt sowie einem angenehmen süßen Shay. Die Temperaturen im Zug sind wieder gesunken, die Heizung hat wohl doch nicht nur eine Stufe zwischen schwedischer Wettkampfssauna und Arktos Eisschloss aus Tabaluga.
Da es nichts nützt die zahlreichen Angebote der Passagiere auszuschlagen biete ich ihnen im Gegenzug mein Brot, Erdbeermarmelade und die Tafel Schokolade an.
Eines kann ich mit Sicherheit sagen. Wir haben ein völlig falsches Bild von den Menschen in all den von mir östlich besuchten Ländern und Freundlichkeit wie diese erfährt man nur selten im Westen.
Auf der Fahrt selbst blieb mir, so wurde mir immer mehr bewusst nichts anderes übrig als mich meinem Buch zu widmen und aus dem Fenster zu schauen.
Nach dreieinhalb Tagen erreichte ich, müffelnd den Bahnhof im Winterwunderland Almaty.


Hier noch ein paar nützliche Informationen.
- Das Zugticket könnt ihr sowohl im hiesigen Einkaufszentrum als auch am Bahnhof für 20 Dollar erwerben.
Der Zug selbst verlässt täglich den Bahnhof um 17 Uhr.
- Deckt euch vorher gut mit Essen und Trinken ein denn was die Verkäufer, welche bei jedem halt hineinstürmen verkaufen ist definitiv nichts wovon man satt wird.
- Regel Nummer eins als Reisender. "Habe immer dein eigenes Klopapier dabei"
- Bettzeug wird ausgeteilt, dabei liegt ein Handtuch. Matratzen und ein Kissen liegen bereit.
- Das Klo...nunja, sei besser nicht empfindlich. Solltest du nach der Spülung suchen dann hoffe ich für dich das diese Funktioniert. Am Boden befindet sich unter dem Pot ein Trittschalter.
Die Wasserhähne haben einen Stift welchen du nach oben drücken musst.
- Trage deine bequemste Kleidung und nichts dickes. Die Heizungen erfüllen ihren Zweck erschreckend gut.
- Hygienetücher oder Spray. In diesem Fall keine Attacke von Paranoia.
- Wenn du dein Handy die ganze Zeit über benutzen willst empfehle ich 2 Powerbanks mitzunehmen. Es gibt keine Steckdose.
- Von dem Bahnhof Almaty 2 kommst du besser zu Hostels und Botschaften.

Mit dem Schiff von Baku nach Aktau

Nachdem ich eine Woche bei meinem Couchsurfer die Beine hab Baumeln lassen entschloss ich mich weiter zu gehen.
Bereits in den ersten drei Tagen versuchte ich mir ein Ticket für die MS Unsinkbar nach Aktau zu organisieren. Damit ihr euch eine Menge Stress und Nerven erspart und all die sich widersprechenden Internetberichte getrost überspringen könnt (Carav.....hust). Hier der einfachste Weg:
-geht zum White Park in Baku und haltet euch nach dem Spielplatz rechts. Geht weiter bis zur Schranke und fragt nach "Bilet Aktau". Ihr werdet durchgelassen und könnt in dem Container für 70 Dollar (eine andere Währung akzeptieren Sie nicht) ein Ticket erwerben.
Für diesen Preis erhaltet ihr ein Bett in einer Viererkabine und vier warme Mahlzeiten täglich.
Hier die Koordinaten:
40°22′22.55″N 49°51′40.74″E
-Die Fähre fährt vom 75 Kilometer entfernten Alat im Süden. Ihr solltet idealerweise 3 Stunden vorher dort sein.
Um dort hinzukommen nehmt ihr einen Bus von der Baku Railway Station. Ich nahm die Nummer 15 und musste einmal umsteigen. Vergewissert euch einfach beim Fahrer.
Wenn ihr zur Bibi Heybat Moschee fahrt könnt ihr bequem von dort einen weiteren Bus für 1 Euro nehmen.
Auch hier wieder die Koordinaten:
40°18′31.67″N 49°49′11.32″E
- Habt ihr das geschafft und seid in Alat angekommen ist es wichtig rechtzeitig auszusteigen und nicht in das Zentrum zu fahren. Gebt dem Fahrer einfach einen Zettel auf den ihr halbwegs leserlich "Port" draufschreibt und er wird euch mitten im nirgendwo rauswerfen.
Von dort geht ihr auf die andere Straßenseite 15 Minuten zu Fuß in Richtung Meer.
Dort hin:
39°58′34.81″N 49°26′28.65″E
- Euer Ticket wird mehrmals kontrolliert und euer Reisepass abgestempelt. Aber auch nur wenn ihr euch nach einem Aufenthalt von über 10 Tagen registrieren lassen habt. Falls nicht solltet ihr besser kein Russisch sprechen können und so tun als wüsstet ihr nicht wovon der nette Grenzbeamte spricht. Dieser hat versteckt in seiner Schublade den passenden Stempel parat, ihr müsst also nicht nochmals zurück nach Baku.
- Geht an Bord, lasst euren Reisepass für die nächsten 3 - 6 Tage in den Händen des Kapitäns und entspannt euch.



Über die Fahrt.
Diese ist recht ereignislos und die meisten Leute an Bord verstehen kein Englisch.
Das Essen ist wirklich lecker und wird 4 mal täglich serviert. Zu trinken gibt es ebenfalls genug, in den meisten fällen Çay.
Falls jemand, wie in meinem Fall seine 3 Angelrouten dabei hat, habt ihr auch schon mal eine Beschäftigung wird einen Windstillen Nachnittag gefunden.
Wifi gibts nicht, spart euch das fragen jedes Bordmitglieds.
Die Duschen sind Heiß. Damit meine ich kochend heiß aber sauber. Nehmt dennoch Latschen mit.
In Aktau angekommen müsst ihr entweder in das Zentrum laufen, trampen oder ein Taxi nehmen. Letztere tragen kein Schild mit der Aufschrift Taxi und im Grunde kann man bei jedem für einen geringen Preis mitfahren.
Na dann, genießt die Fahrt und die Sonneauf- und Untergänge.



Donnerstag, 3. November 2016

Von Tiflis nach Baku

Heute schreibe ich euch aus der pulsierenden Stadt Baku am Kaspischen Meer. Das Visum fuer Aserbaidschan bekam ich dank des Eilverfahrens vor 4 Tagen. In einer heimlichen Nebel und Monsunartigen Nachtaktion machte ich mich zu Fuss auf den Weg von Tiflis zur Georgisch,- Aserbaidschanischen Grenze.

Dort angekommen war ich nach der anderthalbtaegigen Wanderung und spaeten Uhrzeit nicht der einzige der die Grenze ueberqueren wollte. Im bereits gewohnten Verfahren lies ich mein Taschenmesser in die tiefen meines Ruckssacks verschwinden und kramte im gleichen Zug meinen Reisepass aus dem kleinen orangenen. wasserfesten Beutel. In einer gefuehlten Ewigkeit las sich der erste Grenzbeamte den Pass durch und hatte zu jedem erteilten Visa irgendeinen Kommentar abzugeben. An sich kein Problem da ich gerne meine Reiseerfahrungen teile, aber nicht um drei Uhr bei 1 Grad Aussentemperatur.
Die naechste Huerde stellte der Scanner da der wie jedes mal panisch bei meinem Rucksack ausschlug. Ein Soldat mit einer unglaublichen Aehnlichkeit zu Robert De Niro kam mit bedrohlichen Schritten auf mich zu, legte mir meinen Rucksack zu Fuessen und deutete diesen aufzumachen. Ich wusste worauf er hinauswollte und gab ihn das, mit einem Taschenmesser nicht zu vergleichende Messer in die Hand. Daraufhin verschwand dieser damit in Richtung seiner Kollegen. Die Anzahl an Leute die ebenfalls endlich passieren wollte wurde immer groesser und vorallem Lauter. Ich muss kein Russisch sprechen koennen um zu wissen das die Worte die in meine Richtung geworfen kamen sicher keine Bekundungen von Zuneigung waren.
Fuenf Minuten spaeter kam Robert zurueck. Eine Minute eisiges schweigen und "wer blinzelt als erstes", dann gab er mir mein Messer wieder und lies mich gehen.

Draussen angekommen kamen bei eisigen Temperaturen die ersten Taxifahrer auf mich zugeschossen. Umgerechnet 15 Euro verlangten diese fuer die ueber Fuenfhundert Kilometer lange Fahrt nach Baku. Selbst wenn ich gewollte haette, mein Geld war ausschliesslich Georgisch und mir wohl irgendwie ans Herz gewachsen.
Mir blieb nichts anderes uebrig als zu Fuss weiter zu gehen. Ich folgte der einzigen Strasse fuer zwei Stunden und beschloss mein Zelt einige Meter vom Strassenrand entfernt unter einer kleinen Baumalee aufzubauen. Die Nacht selbst war ziemlich frisch, aber einige Stunden Schlaf konnte ich zumindest aufholen.

Gegen Neun Uhr machte ich mich wieder auf den Weg, steckte das, vom naechtlichen Niesel noch klamme Zelt in einen Plastikbeutel und betrat mit ungewoehnlich guter Laune die Strasse.
Nach 4 Stunden wandern aenderte sich die Landschaft von der ehemals flachen Ebene und immer groesser werdende Huegel taten sich auf. Diese waren nur mit Gras bewachsen und alle paar Kilometer fand sich auch mal ein einsam stehender und vom Wind verbogener kleiner Baum. Ich kam durch einige kleine Ortschaften und bewunderte die Grablandschaften, die an Friedhof der Kuscheltiere erinnern  und die als Seifenkisten zu beschreibenden Autos der Bewohner. Die Wasserleitungen verlaufen ueber ein verzweigtes Netzwerk  ueberall Ueberirdisch zu den oftmals eher kleinen Haeusern.
Es daemmerte bereits und ich hoffte per Anhalter zumindest in die naechste Stadt mitgenommen zu werden. Daraus entwickelten sich vier Fahrten in zwei Tagen und ein lustiger Abend bei Agil und seiner Familie, die mich fuer eine Nacht bei sich aufnahmen.

In Baku angekommen richtete ich mich gleich bei Adem, meinem Host von Couchsurfing ein und liess mich mit tuerkischen Essen umsorgen. Noch nie habe ich warmes Essen so sehr zu schaetzen gewusst als nach 2 Tagen in der Aserbaidschanischen Kaelte.
Am naechsten Tag machte ich mich auf zur turkmenischen Botschaft. Die Sonne schien und es versprach ein guter Tag zu werden, waere da nicht das kleine Problem das diese nicht taeglich geoffnet hat. Ein vorbeilaufender Poilzist wies mich daraufhin das diese einen Tag spaeter geoeffnet hat...hatte sie nicht. Also machte ich mich auf den Weg zum Hafen in der Naehe des Stadtparks, gleich am kaspischen Meer. Dort wollte man nichts von einer Faehre nach Turkmenistan wissen, stattdessen stolperte ich in eine Tanzkoreographie von etwa Eintausend Person rein.
Der zweite Hafen schien mir vielversprechender, auch wenn dieser Fuenfzehn Kilometer entfernt lag. Dort schickte man mich wieder zurueck zum ersten Hafen an dem inzwischen ein kleiner Schalter geoeffnet hatte mit der Ueberschrift "Tickets". Voller Zuversicht orderte ich ohne Begruessung oder anderer Erklaerungen ein Ticket nach Turkmenbashi, den Hafen Turkmenistan. Einige Minuten und Sprachbarriere spaeter schaffte es der Verkaeufer mir zu erklaeren das von hier kein Ticket gekauft werden kann.
Enttaeuescht und mit den Nerven am Rande wagte ich meinen letzten Versuch nach Informationen in das Holiday Inn und bekam einen Augenblick spaeter drei Seiten an geballten, nuetzlichen Informationen wieder. Ob ich das Ticket und Visum umsonst bekomme werde ich morgen erfahren.

Die naechsten Tage verbrachte ich bei einem weiteren Host namens Faris welcher mich und eine weitere Couchsurferin aufnahm. Letztere schreibt ein Buch fuer die russchische Version des Lonely Planets ueber die Stadt Baku und dessen Geschichte.